Drei Fragen an die Low-Budget-Kirche der Zukunft

Hanno Terbuyken
3 min readJun 5, 2021

Die großen Kirchen werden kleiner, ärmer und unmittelbarer — und dann?

Foto: Hanno Terbuyken

Die Zukunft ist klar: Die institutionalisierte Kirche wird kleiner, evangelisch wie katholisch — bis 2060 nur noch die Hälfte der Mitglieder (siehe Freiburger Studie), mit entsprechend weniger Kirchensteuern und der unbequemen Herausforderung, als Ort des Glaubens nicht mehr selbstverständlich zu sein.

Eine Existenzfrage, die die aktuelle Generation der Bischöf:innen, Generalvikare und sonstigen Kirchenleitungen in beiden großen Kirchen altersbedingt meist nur noch periphär betrifft. Übrigens auch deshalb ist die Wahl von Anna Heinrich zur Präses der EKD-Synode und der noch nie da gewesene Anteil von Menschen unter 26 Jahren in der EKD-Synode (25 von 128) ein wichtiger Schritt. Im Synodalen Weg der katholischen Kirche sind es übrigens deutlich weniger (in der Synodalversammlung sind 21 von 230 Delegierten unter 30 Jahre alt).

Aber auch die Einbindung von mehr jungen Menschen in die Entscheidungsgremien wird nichts daran ändern, dass die Kirche(n) der absehbaren Zukunft eine Low-Budget-Kirche der Unmittelbarkeit sein wird. Sie wird weniger Geld haben und sie wird viel unmittelbarer als heute an ihren Gläubigen dran sein müssen. Verglichen mit heute werden sich die katholische und die evangelische Kirche (sofern es noch beide gibt) mehr anfühlen wie Freikirchen, die sich ihre Existenz und ihre Finanzierung viel stärker über den Wohlwollen ihrer Mitglieder sichern müssen.

Drei Fragen an die Kirche der nahenden Gegenwart

Dazu kommt: Das Nachdenken darüber, wie Kirche mit Digitalität umgeht, darf sich nicht in Diskussionen über die Rolle von Pfarrer:innen auf Social Media oder im Streit um WhatsApp für die Konfirmandenarbeit erschöpfen. Es gibt weitergehende Themen, die Kirche und Gemeinde zukünftig prägen werden.

An diese Kirche mit weniger Geld und mehr Notwendigkeit, auf die Menschen in und um sich zu hören (und zwar nicht nur auf die bestehenden zahlenden Mitglieder), habe ich drei Fragen:

Wie stellen Kirche und Gemeinde die direkte Verbindung zwischen Besucher:innen, Nutzer:innen oder Mitgliedern und der passenden Form von Kirche her? Egal, welche Glaubensintensität diese Verbindung bestimmt (von Hochverbundenen bis zu Gelegenheitskontakten)? An der Stelle kommen natürlich die digitalen Möglichkeiten ins Spiel. Bei einer klaren Fokussierung der eigenen Ressourcen auf die Verkündigung und diakonisches Handeln werden hier Partnerschaften mit der Privatwirtschaft sinnvoll, weil Kirchen eben keine Software-Unternehmen sind.

Welche Beziehung und welches gegenseitige Vertrauen zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen braucht es in der Pastoral einer solchen Kirche? Wie sieht das aus in Gemeinden, wie sieht das aus in Caritas und Diakonie? Wer darf predigen und verkündigen (meiner protestantischen Meinung nach übrigens jede:r, die es gut macht), wer kann Vorbild in der Nachfolge sein, wer kann eine Gemeinde zusammenhalten? Besonders die katholische Kirche kann es sich eigentlich nicht mehr erlauben, die engagierten und fähigen Frauen aus dem Weiheamt fernzuhalten, aber das ist glaube ich eine theologische Hürde, die erst nach 2060 in der halbierten Kirche aus Not überwindbar ist.

Kann diese neue Low-Budget-Kirche der Unmittelbarkeit ihre Angst vor Daten abschütteln? Warum hat Kirche heute überhaupt so viel Angst vor “Daten”? Sie sind kein abzuwehrendes Übel und ihre Nutzung kann eine wesentliche Unterstützung dabei sein, die Bedürfnisse der Besucher:innen und Gläubigen zu erkennen und besser darauf einzugehen. Das wäre eines der zukünftigen Arbeitsfelder, die für Zentralorganisationen innerhalb der Kirchen noch übrig bleiben — vielleicht auch in Form eines gemeinsamen Datenanalyse-Think-Tanks für alle Kirchen in Deutschland, gleich welcher Konfession.

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Hanno Terbuyken

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